2. Juni 2021 / Lokales

Häusliche Gewalt steigt auch in Beckum seit der Corona-Pandemie

Tätigkeitsbericht Frauen helfen Frauen Beckum e.V.

Das Jahr 2020 stellte den Verein Frauen helfen Frauen Beckum e.V. und die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle vor große Herausforderungen. Der Umgang mit der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen wirkte sich auf verschiedenste Weise auf die Arbeit des Vereins aus. Heute stellte das Team den Tätigkeitsbericht aus dem vergangenen Jahr vor.

Frauenberatungsstelle / Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt
Innerhalb von kürzester Zeit mussten viele der Abläufe digitalisiert werden. Durch Sonderförderungen durch den Bund und das Land NRW konnte dies sehr schnell umgesetzt werden, sodass Beratungen und Gespräche weiterhin sicher und digital abgehalten werden konnten. In einem Pressegespräch berichtet Gabriele van Stephaudt, dass die persönlichen Termine trotz alledem von den Frauen vermisst wurden, da ein Telefongespräch oder ein Videochat selbstverständlich keinen persönlichen Austausch ersetzt. Deshalb hofft das Team nun umso mehr, dass schnellstmöglich wieder Außensprechstunden stattfinden können.

Trotz aller Einschränkungen konnten im vergangenen Jahr 466 Personen beraten und 2.118 Beratungs- und Therapiegespräche geführt werden. 59% der Gespräche erfolgten telefonisch und über Videochat. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 25%. Ein großer technischer Fortschritt für die Frauenberatungsstelle.

Lisa Ackfeld ist neu zum Team dazu gekommen und berichtete im Pressegespräch über die aktuellen Statistiken: „Am stärksten vertreten war die Altersgruppe der Klientinnen der 26-40-Jährigen (34%), und der in Partnerschaft lebenden Frauen mit Kindern (22%). 390 Kinder lebten in den Haushalten der Klientinnen. Als Wohnorte wurden am häufigsten Beckum (40%) und Ahlen (19%) genannt.

Frauen und Mädchen wandten sich mit unterschiedlichsten Anliegen an die Beratungsstelle. Folgende Beratungsthemen wurden in Beratungs- und Therapiegesprächen schwer-punktmäßig bearbeitet (Die Zahlen beinhalten Mehrfachnennungen): In einem hohen Maß und weiter ansteigend ist der Problembereich Gesundheit - psychische, somatische Erkrankungen mit 82% Frauen/Mädchen. Die Anzahl der Frauen, die sich aufgrund von Ängsten an die Beratungsstelle wandten, hat sich erhöht, von 27% in 2019 auf 38% in 2020.

Insgesamt waren 78% der Klientinnen von Gewalt aktuell oder zurückliegend betroffen; 67% davon von physischer und psychischer Gewalt. Von der Kreispolizei Warendorf wurden 90 Frauen nach polizeilichen Einsätzen zu häuslicher Gewalt gemeldet. Die meisten von Gewalt betroffenen oder bedrohten Frauen melden sich selbst in der Beratungsstelle.

Von sexualisierter Gewalt waren insgesamt 30% der Klientinnen betroffen (in 2019 waren es 25%). Die Beratungsgründe lagen hauptsächlich bei Vergewaltigung/sexuelle Nötigung (15%) und zurückliegendem sexuellen Missbrauch (14%). Die Beraterinnen verzeichneten einen Anstieg der Beratungsanfragen bei einem Verdacht oder bestätigtem sexuellen Missbrauch von Kindern. Der Anteil an Trennungs- und Scheidungsberatung (68%) ist gleichgeblieben. Ebenso der Problembereich Sozialberatung (68%). 140 Frauen waren im ALG 2 Bezug." Die Sozialarbeiterin Johanna Kettlack von der Beratungsstelle ergänzte, dass im vergangenen Jahr das Thema Gewalt fast 80% der Arbeit in Anspruch nahm. Dies sind mitunter auch Folgen der Corona-Pandemie.

Der Weltbevölkerungsbericht 2021 verzeichnet eine dramatische Zunahme von Gewalt gegen Frauen in der Corona-Pandemie. Das mussten auch die Beraterinnen in der Frauenberatungsstelle berichten: Im ersten Quartal 2021 wurden bereits 173 Frauen beraten und therapeutisch begleitet, 137 aufgrund von Gewalt. 46 davon wurden dabei durch die Kreispolizei Warendorf vermittelt. Im Vorjahr waren es im ersten Quartal 24 Vermittlungen durch die Kreispolizeibehörde. Insgesamt machte das Team von der Frauenberatungsstelle die Erfahrung, dass Frauen, die zuhause eine Form von Gewalt erlebten, diese im ersten Lockdown „aushielten". Man vermutet, dass dies unter anderem daran liegen könnte, dass diese Frauen auf Besserung hofften, sobald der Lockdown vorbei ist. Einen wirklich Anstieg der nach Beratung suchenden Frauen konnten die Beraterinnen erst ab dem Herbst letzten Jahres verzeichnen.

Neben den vielen offensichtlichen Einschränkungen der Corona-Pandemie kamen dort auch existenzielle Nöte hinzu: Viele Schutzfaktoren, die die Entstehung oder Fortsetzung von Gewalt verringern, sind „seit Corona“ reduziert oder nicht mehr vorhanden. So entfällt häufig soziale und familiäre Unterstützung, aber auch die Wahrnehmung von Gefährdungen, z.B. in Nachbarschaft, Kitas, Schulen und am Arbeitsplatz. Demgegenüber sind Risikofaktoren erhöht, die sich verstärkend auswirken können, sei es, dass sie Stress beim (potentiell) Gewalthandelnden erhöhen oder die Situation des (potentiellen) Opfers verschlechtern wie z. B durch Isolation. Viele der Frauen haben zusätzlich mit weniger oder komplett ausfallendem Einkommen zu kämpfen. Außerdem merke man, dass nun eine Erschöpfung eintrete und die Ressourcen nun aufgebraucht seien, berichtet Lisa Ackfeld. Sie fasst die Problematik gut zusammen: „Die Pandemie belastet auf vielen verschiedenen Ebenen."

Die Folgen von Gewalt wirken sich auf die Gesundheit und die berufliche und soziale Lebensgestaltung nachteilig aus.

Frauen & Mädchen Treffpunkt Courage
Der Frauen- & Mädchen Treffpunkt Courage konnte, wenn, nur bedingt und unter strengen Hygienemaßnahmen für einzelne Frauen öffnen. Renate Feichtinger, Mitglied des Vorstandes des Vereins, berichtete, dass der Treffpunkt für die Integration von Frauen und Mädchen sehr wichtig sei. Dies zeige sich vor allem durch die vielen Nachfragen, die das Treffpunkt-Team erreichte, wann wieder eine Öffnung und damit Begegnung möglich ist. 

Buchprojekt „Ein Märchen für Beckum und anderswo."
Dank großzügiger Spenden war es möglich, das interkulturelle Buchprojekt des Frauen & Mädchentreffpunktes Courage zu verwirklichen: „Ein Märchen für Beckum und anderswo. Dreizehn couragierte Frauen erzählen“. Die Resonanz war enorm, innerhalb kürzester Zeit war die erste Auflage mit 750 Exemplaren ausverkauft. Johanna Kettlack erzählte, dass bereits eine zweite Auflage in Planung sei, die im Herbst diesen Jahres erscheinen soll.

Spendengelder
Jährlich spenden viele Menschen, Firmen und Stiftungen an den Verein. Leider konnten sowohl in diesem als auch im letzten Jahr keine Spendengelder von Vereinsaktionen gesammelt werden. „Dennoch", berichtete die Vorsitzende des Vereins Gaby Trampe, „haben viele an uns gedacht und uns finanziell unterstützt, worüber wir sehr dankbar sind."

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