8. März 2022 / Lokales

Frauenberatungsstelle berichtet gravierende Zahlen für das Jahr 2021

Zum internationalen Frauentag am 08. März

Die Auslastung der Frauenberatungsstelle Beckum war wie in den Vorjahren 2021 extrem. Die steigende Zahl der Anfragen führt sich in 2022 fort. Der Verein hat sich aufgrund der Situation in der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt bereits an das Ministerium gewendet und eine Überlastung angezeigt.

Zu den Zahlen in 2021:

  • 483 Frauen und Mädchen nahmen das Angebot der Beratungsstelle an.
  • 78 Fachpersonen (zum Beispiel der Schulsozialarbeit) wurden im Rahmen einer Fachberatung unterstützt.
  • Es wurden 2169 Beratungs- und Therapiegespräche geführt.
  • Insgesamt nahm das Thema Gewalt 82% der Problembereiche ein. 
    345 Frauen und Mädchen wandten sich aufgrund physisch und psychisch erlittener Gewalterfahrungen an die Frauenberatungsstelle, 142 Frauen und Mädchen aufgrund sexueller Gewalterfahrungen. Die meistgenannten Tatbestände waren Vergewaltigung/sexuelle Nötigung (73) und zurückliegender sexueller Missbrauch (51).
  • 2021 erfolgten 135 Mitteilungen zu gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen über die Kreispolizeibehörde Warendorf. 105 Fälle häuslicher Gewalt sowie 18 Fälle sexualisierter Gewalt (2020 -112). Derzeit liegen bis Ende Februar bereits 34 Vermittlungen vor.
  • Einen deutlichen Anstieg verzeichnete die Beratungsstelle bei Beratungsanfragen zu psychischen Problemen 461 (384 in 2020), 292 Frauen und Mädchen nannten Ängste als Beratungsgrund (180 in 2020). Fast verdreifacht hat sich die Zahl der Frauen und Mädchen mit dem Thema soziale Isolation/Kontaktprobleme (37 – 2020).
  • Die Beratungsanfragen aufgrund von Beziehungsproblemen sind ebenfalls gestiegen (374 – 2021; 316 – 2020).

Nach Einschätzung der Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle spiegeln sich in der Statistik deutlich die Auswirkungen der Pandemie wider. Der Stress in den Familien (Homeoffice und Homeschooling, Quarantäne-Maßnahmen etc.) hat zu einer hohen Belastung und einem erhöhten Eskalationsrisiko geführt. Die Klientinnen beschrieben die Sorge vor häuslicher Gewalt und damit verbunden von Alltags- und Existenzängsten sowie Erschöpfungszuständen als Auswirkungen. Die Kontaktbeschränkungen führten zum Erleben sozialer Isolation.

Die Wartezeit für Frauen und Mädchen in Krisensituationen, ohne Gewalthintergrund, liegt für ein Erstgespräch bei 3-4 Wochen. Die Unterstützung, Beratung von Frauen und Mädchen in Krisensituationen im Sinne der allgemeinen Frauenberatung erfährt eine Einschränkung, die für die Mitarbeiterinnen nicht tolerabel ist.
Gerade diese Arbeit spiegelt die Vielfältigkeit von Diskriminierung und Ungleichbehandlung wider, die Frauen und Mädchen gesellschaftlich alltäglich widerfahren. Sie ist damit nicht nur ein berechtigtes Anliegen der Klientinnen, sondern versteht sich auch als gesellschaftspolitischer Auftrag der Beratungsstelle und des Vereins, dem entgegenzuwirken. Ein Projekt zur Unterstützung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen ist seit 3 Jahren aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht umsetzbar!

Die Frauenberatungsstelle Beckum, in die die Fachstelle integriert ist, hat ihre Zuständigkeit im Südkreis. Den Nordkreis versorgt die Frauenberatungsstelle Warendorf mit ihrem Unterstützungsangebot. Beide allgemeinen Frauenberatungsstellen, mit je 1,5 Personalstellen, sind aufgrund der hohen Nachfrage – auch als Folge der Pandemie – mehr als ausgelastet. Die Kolleginnen in Warendorf können kein zusätzliches Angebot für Frauen nach sexualisierter Gewalt mehr vorhalten.

Die besondere Belastungssituation der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt ergibt sich durch die Größe des Flächenkreises. Den Nachfragen kann derzeit mit den zur Verfügung stehenden  Personalstellen nicht entsprechend dem professionellen Standard begegnet werden.
Klientinnen aus dem Nordkreis sind durch die ungünstige Infrastruktur, je nach Wohnort, mehrere Stunden unterwegs, um zur Beratungsstelle zu gelangen. Für ein Beratungsgespräch fallen 3 Stunden und mehr an. Die Mitarbeiterin der Fachstelle kann zwar die Räume der Frauenberatungsstelle Warendorf nutzen, dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch die längere Abwesenheit der Beraterin von der Beratungsstelle in Beckum. 
Aufgrund mangelnder Kapazitäten können die Mitarbeiterinnen betroffenen Frauen mittlerweile kein zeitnahes adäquates Angebot machen. Es gilt für Betroffene Wartezeiten in Kauf zu nehmen,  die die Gefahr einer psychischen Destabilisierung und Manifestierung einer posttraumatischen Belastungsstörung beinhalten.

Aufgrund der hohen Nachfrage arbeiten die Mitarbeiterinnen der Fachstelle über der Belastungsgrenze, die der Verein dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in NRW angezeigt hat.
Eine mögliche Erhöhung der personellen Beratungskapazitäten der Frauenberatungsstelle Warendorf für Betroffene sexualisierter Gewalt hat das Ministerium kürzlich unverständlicherweise abgelehnt.

Vor dem Hintergrund der Umsetzung der Istanbul Konvention fordert der Verein ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen und Mädchen, das ausreichend durch öffentliche Mittel finanziert wird.

Auch aufgrund der aktuellen Situation, lässt sich nur vermuten, dass unzählige geflüchtete Frauen auch hier in Beckum Beratung benötigen werden. Denn Krieg und Flucht sind immer mit Traumatisierung und oft auch mit sexualisierter Gewalt verbunden. Die Beratungsstelle und der Verein möchten ihren Beitrag zur Auffangung und Unterstützung von Betroffenen leisten, dies ist jedoch in der schon lange anhaltenden Überlastungssituation nur bedingt möglich.

Foto (v.l.): Johanna Kettlack, Gabriele van Stephaudt und Gaby Trampe

Meistgelesene Artikel

Weitere Artikel derselben Kategorie

Vortrag: Vom Siechenhaus zur Hospizbewegung
Lokales

Der Hospizgedanke im Wandel der Zeit

weiterlesen...
Dein neuer Job bei der Klaus Berlinghoff GmbH: Jetzt bewerben!
Lokales

Von Praktikum, über Ausbildungsplatz bis Festanstellung

weiterlesen...