15. November 2020 / Allgemeines

Volkstrauertag: Kranzniederlegung an den Ehrenmalen von Beckum und Neubeckum

Im kleinsten Rahmen

Am 15. November 2020 ist Volkstrauertag. Aufrgund der Corona-Pandemie findet die Kranzniederlegung in diesem Jahr mit Dr. Peter Paziorek im kleinsten Rahmen statt.
Auch der Bürgermeister Michael Gerdhenrich kann seine Gedenkrede nicht halten, weswegen wir sie in diesem Rahmen veröffentlichen:

"Liebe Beckumerinnen und Beckumer,

wir gedenken heute der Opfer von Gewalt und Krieg. Wir verneigen uns in Demut vor den Opfern kriegerischer Handlungen, Völkermord, Flucht, Vertreibung und Verschleppung. Und wir stehen zugleich aufrecht ein für Frieden und Zusammenhalt, für Freiheit und demokratische Werte, für Offenheit und Toleranz, für Wachsamkeit gegen das Vergessen oder die Verharmlosung.

Kriege sind keine Naturkatastrophen. Sie brechen nicht aus, sie werden gemacht. Sie werden durch Feindbilder, autoritäre Denkmuster und Propaganda vorbereitet.

Die Menschen in weiten Teilen Europas haben sich an ein Leben in Freiheit, Demokratie und Frieden gewöhnt. Gleichzeitig verflüchtigen sich die kollektive Erinnerung an den 2. Weltkrieg und das Bewusstsein für das zerstörerische Wesen von Nationalismus und Protektionismus. Auch wer das nicht mehr erleben musste, sollte die Friedenskraft und die Garantie auf Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Integration wertschätzen. Denn Frieden ist keine Selbstverständlichkeit.

Die Erinnerung an den Krieg und seine Folgen ist und bleibt eine wichtige Aufgabe. Im 2. Weltkrieg, der 6 Jahre und 2 Tage dauerte, verloren über 60 Millionen Menschen ihr Leben. In jeder Stunde gab es durchschnittlich 1 139 Tote, in jeder Minute kamen 19 Menschen gewaltsam ums Leben. An das Leid dieser Menschen und ihrer Angehörigen, das bis heute andauert, zu erinnern und sensibel und wachsam zu bleiben für gefährliche Tendenzen, dafür stehen wir heute hier. Das Gedenken vor Ort findet aufgrund der Corona-Pandemie leider in diesem Jahr nur im kleinsten Rahmen statt. Das soll aber die Würdigung des Tages nicht schmälern. Mag die Coronakrise, unter der wir alle zu leiden haben, weltweit eine große Herausforderung sein, den Frieden zu sichern und zu bewahren, ihn dort zu schaffen, wo es ihn nicht gibt, ist die weitaus größere.

Dass wir es mit einer Vielfalt an Bedrohungen zu tun haben und uns davor hüten müssen, pauschal Minderheiten anzuprangern, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Setzen wir alldem gemeinsam Tag für Tag etwas entgegen. Bildung und Wissen, offene, wertschätzende Diskussionen und die differenzierte Auseinandersetzung mit den drängenden Themen sind die Mittel der Stunde.

Sehr aufschluss- und lehrreich und zudem für den November perfekt gewählt finde ich die aktuelle Glocke-Serie „Kriegerdenkmäler im Wandel der Zeit“. So habe ich einiges Neue über das Beckumer Ehrenmal auf dem Westenfeuermarkt, einem von 2 Standorten, an denen wir heute einen Kranz niederlegen (Anm. der Redaktion: auch am Ehrenmal in Neubeckum wurde ein Kranz niedergelegt), erfahren. Viele dieser Denkmäler sind in der Weimarer Zeit, also der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen entstanden, was sie zwiespältig und interessant zugleich macht.

Denn, während wir hier stehen und der gefallenen Soldtaten, der unzähligen Kriegsopfer und der Gräueltaten gedenken, mahnen diese Denkmale in ihrer eigentlichen Aussage eben nicht zum Frieden. Sondern sie waren vielfach Ausdruck von falschem Pathos, Kriegsverherrlichung und in Stein gemeißelt Ewiggestrigem. Sie dienen vordergründig der wichtigen Erinnerung an die gefallenen Soldaten, die ihre letzte Ruhestätte oft nicht in ihrer Heimat gefunden haben. Doch die persönliche Trauer der Angehörigen wurde durch sie instrumentalisiert. Das soldatische Heldentum wird in den Mittelpunkt gerückt, nicht das Einzelschicksal. Sie sind auch ein Zeichen der Kriegsverherrlichung und des Missbrauchs religiöser Symbole. Diese Denkmale wurden aus einer Gesinnung heraus geschaffen, die der wenig später anbrechenden NS-Zeit den Weg bereitete.

Ich freue mich über diese Artikelreihe, die anschaulichen Geschichts- und Heimatunterricht liefert, und die Denkmäler, die es in nahezu jeder Stadt gibt, in das richtige Licht rückt und sie uns kritischer betrachten lässt, während sie uns zugleich als Gedenkort dienen. Die aufmerksame und differenzierte Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist ein wesentlicher Bestandteil der Friedenssicherung.

Da fällt den professionellen Medien eine wichtige Vermittler- und Schlüsselrolle zu. Und sie verkünden ja auch viele gute Nachrichten:

Immer mehr Kommunen in unserer Region werden zum „Sicheren Hafen“ erklärt. Auch der Rat der Stadt Beckum hat im Mai seine Bereitschaft erklärt, weitere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus griechischen Auffanglagern aufzunehmen. Das Schicksal der Menschen, die heute vor Gewalt und Tod fliehen, ist den allermeisten Menschen nicht egal. 
Wenn Menschen verschiedener Glaubensrichtungen in Trauer um die Opfer von Anschlägen zusammenstehen, dann stimmt mich das optimistisch.
Jede Meldung über Menschen, die für andere da sind, als Ehrenamtliche, als Nachbarin oder Nachbar, als Freundin oder Freund, als Unterstützende oder Helfende, ist eine gute Nachricht.
Und auch die Menschen mit den folgenden Geisteshaltungen, die in der Mehrheit sind, stimmen mich optimistisch. Das sind:

alle, die das Verbindende zwischen uns Menschen sehen und stetig suchen,
alle, die sich bei komplexen Sachverhalten an gute Argumente und Tatsachen halten,
alle, die sich gesellschaftlich engagieren und für ihre Mitmenschen da sind,
alle, die Häme und Hetze nicht unkommentiert lassen und dem etwas Konstruktives entgegenbringen,
alle, die die demokratischen Werte und Errungenschaften mit Leben füllen,
alle, die Andersdenkenden zuhören, über den Tellerrand schauen und sich ihre eigene Meinung bilden,
alle, die ohne Scheuklappen und mit weitem Herzen durchs Leben gehen.

Liebe Beckumerinnen und Beckumer,
wir leben im überwiegenden Teil Europas seit 75 Jahren in Frieden und Freiheit. Inzwischen wissen wir aber um die Fragilität dieser Errungenschaften. Das Gedenkjahr 2020 ruft die schrecklichen Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft ins Bewusstsein und zugleich die Leistungen von Verständigung und Annäherung. Frieden und freiheitliche Werte sind keine Selbstverständlichkeit. Diese Einsicht muss Tag für Tag unser Handeln bestimmen. Gehen wir diesen Weg konsequent gemeinsam weiter!"

 

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